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Inklusion: Gesellschaft im Gesamten wahrnehmen

Pflanzen, Wasser, Holz und Steine, nach Feng Shui oder Hildegard von Bingen: Wolther & Baur planen und bauen Privatgärten sowie Außenanlagen für das Gewerbe und öffentliche Einrichtungen. Eine lebendige und vielseitige Materie, bei der ein Handicap kein Hindernis darstellen muss. 15 Prozent ihrer Stellen haben die Unternehmer an Mitarbeiter mit Behinderung vergeben und liegen mit ihrer Quote weit über dem Bundesdurchschnitt.

Geschäftiges Treiben herrscht im Kloster Roggenburg. Hier legt der Laupheimer Garten- und Landschaftsbaubetrieb Wolther & Baur ein Efeu-Labyrinth und einen Hildegard von Bingen-Kräutergarten mit seltenen Gewächsen an. Das Besondere: Diplomierte Landschaftsarchitekten, Facharbeiter unterschiedlichster Nationen und Mitarbeiter mit Behinderung arbeiten Seite an Seite. So vielfältig wie die Natur ist auch die Menschengruppe, die sich ihrer annimmt. „Integration bedeutet, die Gesellschaft im Gesamten wahrzunehmen. Wir haben eine bunte Mischung aus Ethnien und Bildungsschichten“, beschreibt Patrick Wolther sein Team. Gemeinsam mit Geschäftspartner Markus Baur gründete er vor 20 Jahren die Firma, die 25–30 Mitarbeiter zählt. Laut Gesetzgeber müssen Unternehmen dieser Größe fünf Prozent ihrer Stellen an Behinderte vergeben oder eine Ausgleichspauschale zahlen. Die Diplom-Ingenieure waren ihrer Zeit jedoch stets voraus: Beide arbeiteten als Zivildienstleistende mit Behinderten zusammen, schafften sich bereits während ihres Studiums einen Fuhrpark mit Baggern an und zögerten nicht, Praktika für Menschen mit Handicap anzu bieten. Heute arbeiten drei festangestellte Mitarbeiter mit geistiger Behinderung, Seh- oder Lernschwäche im Unternehmen, einer schließt seine Ausbildung zum Fachwerker ab. Je nach individuellen Fähigkeiten führen sie in der Grünkolonne Pflanz- und Pflegearbeiten durch oder tätigen Stein- und Erdarbeiten in der Baukolonne. Langweilig wird es nie. Eine Inklusionsquote von 15 Prozent ist eine beachtliche Leistung, vor allem da diese im Landkreis Biberach, ähnlich wie in anderen Regionen, bei nur 3,75 Prozent liegt. 2015 wurden Wolther und Baur dafür als „beispielhaft behindertenfreundlicher Arbeitsgeber“ vom Kommunalverband für Jugend und Soziales Baden-Württemberg (KVJS) ausgezeichnet. Warum folgen nicht mehr Unternehmen ihrem Beispiel? „Natürlich braucht man mehr Geduld und darf nicht so schnell Ergebnisse erwarten“, berichtet Markus Baur von seinen Erfahrungen. „Aber das gesamte Team profitiert von der gut gelaunten, motivierten Art dieser Mitarbeiter.“ Unterstützung gebe es zudem vom Arbeitsamt und dem Integrationsfachdienst, sei es durch finanzielle Zuschüsse oder der Bereitstellung spezieller Arbeitsgeräte.

Gut fürs Welt- und Arbeitsklima

Daneben liegt den Landschaftsarchitekten die Umwelt am Herzen. Das Unternehmen bezieht seit Jahren zu 100 Prozent Ökostrom, nutzt eine effiziente WasserWärmepumpe, hat das firmen eigene Grundstück komplett entsiegelt und schafft seinen Fuhrpark nach neuesten Standards an. „Wir führen täglich CO2-bindende Maßnahmen durch: mit unseren Bepflanzungen im privaten und öffentlichen Bereich“, bringt Patrick Wolther als weiteren Aspekt ein. Ob durch Inklusion oder Kultivierung: Frischer Wind fürs Welt- und Arbeitsklima, lautet die Devise. Dabei löst sich manches Vorurteil in Luft auf. „Ziel muss es sein, am Ende nur noch den Menschen zu sehen.“ So führen die gehandicapten Mitarbeiter bei Wolther & Baur keine stupiden Handlangertätigkeiten aus, sondern bewegen sich in einem abwechslungsreichen Aufgabengebiet, erreichen finanzielle Unabhängigkeit und ein neues Selbstwertgefühl. Viele blühen dadurch richtig auf. Und das nicht nur, weil sie gerade einen Rosengarten pflanzen. (Diana Wieser)

IHK-Magazin Ulm und Bodensee-Oberschwaben "Die Wirtschaft zwischen Alb und Bodensee"

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